Nutzung von PDFs durch blinde Menschen

Blinde Menschen navigieren digitale Oberflächen anders als Sehende, da sie auf Screenreader angewiesen sind, die Text in Sprache oder taktile Braille umwandeln. Dabei entstehen spezifische kognitive Strategien. Siehe auch Das kognitive Modell blinder Menschen:

  • Mentale Kartenbildung: Blinde Menschen erstellen eine gedankliche Karte der Seitenstruktur, ähnlich wie Sehende eine visuelle Karte. Sie nutzen Überschriften, Listen und Links als Orientierungspunkte.
  • Fokus auf Hierarchie und Struktur: Semantische Markierungen wie Überschriftenebenen helfen blinden Nutzern, die Struktur einer Webseite zu verstehen und Prioritäten zu setzen.
  • Gedächtnisleistung: Das Langzeitgedächtnis speichert bei wiederholter Nutzung Layouts und Strukturen, was die Navigation erleichtert. Das Arbeitsgedächtnis nimmt Informationen linear und auditiv auf, was die gleichzeitige Verarbeitung erschwert.
  • Trial-and-Error: Wenn Navigationselemente nicht klar beschrieben sind, müssen blinde Menschen oft durch Ausprobieren herausfinden, wie sie interagieren können.
  • Feedback und Reihenfolge: Blinde Menschen benötigen sofortige Rückmeldungen zu ihren Aktionen, da sie keine visuellen Hinweise haben. Die Reihenfolge der Elemente ist entscheidend, da Screenreader Inhalte nacheinander vorlesen.
  • Tastatursteuerung: Screenreader bieten spezielle Shortcuts und Gesten, um die Navigation zu erleichtern, da eine Touchscreen-Nutzung visuelle Hinweise voraussetzt.

Für viele überraschend ist, das die meisten dieser Bedingungen bzw. Strategien auch für Experten-User gelten. Auch bei diesen automatisiert arbeitenden Menschen bildet sich eine mentale Karte heraus. Es kommen weitere Elemente wie motorische Programme hinzu wie beispielsweise das "blinde" Anklicken eines Knopfes mit der Maus bei fester Verortung auf der Nutzungsoberfläche. Mit dem entsprechenden Scheitern, wenn sich der Ort ändert.

Diese Erweiterung der Betrachtung gilt auch für Analphabeten. Können sich blinde Menschen ein PDF (oder auch Web-Seite) verständlich vorlesen lassen, können so auch des Lesens nicht kundige Menschen den Inhalt verstehen.

Barrierefreiheit beim Versand von PDFs per E-Mail

Beim Versand von PDFs per E-Mail müssen ebenfalls die Kriterien der Barrierefreiheit eingehalten werden. Allerdings führen die unterschiedlichen Konfigurationen der Betriebssysteme und E-Mail-Clients häufig zu unvorhergesehenen Problemen, die die Zugänglichkeit beeinträchtigen können.

  • Wichtige Hinweise im E-Mail-Text: Um sicherzustellen, dass die Empfänger die PDF-Inhalte korrekt öffnen und gegebenenfalls signieren können, sollte die E-Mail klare Anweisungen enthalten:
    • Erklärung des Anliegens: Der Zweck des PDFs sowie die notwendigen nächsten Schritte (z. B. das Signieren oder Ausfüllen des Dokuments) müssen im Klartext erläutert werden.
    • Klare Anweisungen zur Dateiverwendung: Der Empfänger muss wissen, wie das PDF zu öffnen ist, um Barrieren zu vermeiden.
  • Probleme bei unterschiedlichen Betriebssystemen: Abhängig von den Einstellungen des Betriebssystems und der E-Mail-App können unvorhergesehene Hürden auftreten.
    Beispielsweise automatische Vorlese-Funktionen. Bei einigen Systemen werden E-Mail-Anhänge automatisch von Screenreadern vorgelesen, ohne dass die Datei explizit geöffnet wird. Diese Funktionen nutzen oft eine automatische Texterkennung (OCR), die den gesamten Inhalt - einschließlich Logos, Copyright-Hinweisen oder Fußnoten - unstrukturiert wiedergibt. Dies kann zu Verwirrung führen, da die Informationen aus dem PDF nicht in der vorgesehenen Reihenfolge oder Struktur vorgelesen werden.
  • Barrierefreies Öffnen der Anhänge zur Sicherstellung der Zugänglichkeit:
    • Nur einen Anhang versenden: Fügen Sie nur ein PDFs als Anhang hinzu, damit Nutzer mit Screenreadern diesen barrierefrei aufrufen können.
    • Eindeutige Dateinamen: Nutzen Sie beschreibende Dateinamen für die PDFs, damit blinde oder sehbehinderte Nutzer direkt erkennen können, worum es geht.
    • PDF korrekt öffnen: Der Anhang muss stets mit einer vordefinierten PDF-Anwendung geöffnet werden, da die automatische Vorlese-Funktion in E-Mail-Clients oft die barrierefreie Struktur des Dokuments ignoriert.

Damit PDFs barrierefrei zugänglich sind, müssen also sowohl die E-Mail selbst als auch PDFs sorgfältig durchdacht werden. Dies erfordert nicht nur klare Erklärungen im E-Mail-Text, sondern auch die Berücksichtigung der unterschiedlichen Systemeinstellungen, die den Zugriff auf Anhänge beeinflussen können. Ein einziges, gut strukturiertes PDF ist der beste Weg, um sicherzustellen, dass alle Empfänger – unabhängig von ihrer Seheinschränkung – die Informationen korrekt verstehen und weiterverarbeiten können.

Herausforderungen bei barrierefreien PDFs für Screenreader

Das Erstellen barrierefreier PDFs ist komplex. Insbesondere für das bei blinden Menschen sehr beliebte Apple VoiceOver, das auch auf dem iOS von iPhones und iPads läuft. Hier die Hauptprobleme:

  • Unterschiedliche PDF-Interpretationen: Der vielseitige PDF-Standard wird oft nur eingeschränkt unterstützt. Selbst im Internet als Beispiel für PDF/UA bereitgestellte Formulare geben keine barrierefreie bzw. keine Beschreibung der Formularelemente! Elemente wie Alternativtexte oder irrelevante Objekte werden zumeist ignoriert, selbst wenn sie korrekt eingebettet sind (technisch: /ActualText und /Artifact).
  • Probleme mit Tags und Strukturen: Der Strukturbaum, der die logische Reihenfolge festlegt, wird oft falsch oder nicht interpretiert (technisch: /StructTree). Tags für Links oder Grafiken werden nicht immer erkannt.
  • Mitteilung der Hierarchieebene: Diese wird beispielsweise bei VoiceOver nach dem Vorlesen des Inhalts angegeben. Ist dies bei Überschriften noch nachvollziebar, so kann ein Erstes Listenelement nach dem Vorlesen von zwei Absätzen nach dem Beginn einer Aufzählung sehr verwirrend sein.
  • Textdarstellung und Kodierung: Verschiedene technische von Zeichen werden nicht immer korrekt interpretiert (technisch: UTF-8 oder WinAnsiEncoding). Besonders erschwerend erweisen sich gebräuchliche Zeichen, die ScreenReadern aber unbekannt sind. Dann wird das Zeichen als unbekannt benannt oder gar ein anderes Zeichen vorgelesen. Es kommt aber auch vor, dass das Vorlesen endet und die nächste Zeile nicht angesprungen werden kann (z. B. griechische Buchstaben etc.). Absichtlich als für die Darstellung unsichtbar markierter Text kann auch vom Vorlesen ausgeschlossen werden.
  • Radioknöpfe sowie Rücksetzen- und Versenden-Knöpfen: Insbesondere bei Voiceover gibt es massive Engpässe, da die PDF-Elemente für Barrierefreiheit nicht vorgelesen werden. Es müssen schwierig umzusetzende Workarounds gefunden werden, damit Formulare auch für blinde Menschen nachvollzogen werden können.
  • Probleme bei der Seitenzuordnung: Es wird beim Vorlesen nicht unterschieden zwischen den Dokumentseiten des PDF und den zu scrollenden Bildschirmseiten, was zur Verwirrung führen kann.
  • Unzuverlässige Prüf-Tools: Werkzeuge wie PAC oder Adobe Acrobat zeigen PDFs als barrierefrei an, doch Screenreader verarbeiten sie oft nicht korrekt.
  • Schwierigkeit beim Testen: Tests müssen direkt beispielsweise auf Apple-Geräten durchgeführt werden, was aufwendig und fehleranfällig ist, da das Verhalten unvorhersehbar sein kann, insbesondere von VoiceOver.

Hinzu kommt noch, dass auf dem iOS aus "Sicherheitsgründen" lokal kein Javascript ausgeführt wird, wodurch eine mögliche interaktive Unterstützung massiv erschwert ist. Das wohl von Apple erwünschte Installieren einer zusätzlichen App aus dem Apple-App-Store ist eine weitere Barriere.

Barrierefreie PDFs zu erstellen, erfordert viel technisches Know-how und Geduld. Selbst bei korrekter Umsetzung ist keine Garantie gegeben, dass beispielsweise VoiceOver alles korrekt wiedergibt, da bestimmte PDF-Funktionen nicht unterstützt werden.

Die tiefgehende Lösung: useWorkspace

Mit useWorkspace wurde eine umfassende Lösung entwickelt, die alle genannten Anforderungen an Barrierefreiheit und Usability optimal berücksichtigt. Durch den Einsatz von useEditor und useDesign wird das Konzept der Trennung von Inhalt und Design (Separation of Concerns, SoC) konsequent umgesetzt. Dies sorgt dafür, dass sowohl HTML-basierte Apps als auch daraus generierte PDFs höchsten Ansprüchen genügen.

Hochfunktionale PDF-Lösung basierend auf SoC

Die aus HTML-Dateien generierten PDFs bieten eine Vielzahl von innovativen Funktionen, um Barrieren zu minimieren und Screenreader-Mängel auszugleichen:

  • Echte WYSIWYG-Darstellung: Die PDF-Ansicht entspricht eins zu eins der HTML-Ansicht, sodass die Inhalte im Ausdruck exakt so erscheinen, wie sie am Bildschirm dargestellt werden.
  • Strukturierte Inhalte für Screenreader: Inhalte werden automatisch in barrierefreie Strukturen überführt und bei Bedarf mit erläuternden Zusatzinformationen angereichert, um eine optimale Navigation und Lesbarkeit zu gewährleisten. Beispielsweise automatische Benennung mit Nummerierung von Listenelementen.
  • Sonderzeichen klar definiert: Alle Sonderzeichen werden durch korrekte, ausgeschriebene Bezeichnungen ersetzt, damit Texte vollständig und verständlich vorgelesen werden können.
  • Hinweise bei Engpässen: Bei der Generierung wird auf erwartbare Schwierigkeiten bzw. Verstöße gegen die Anforderungen der Barrierefreiheit hingewiesen.
  • Mehrsprachigkeit: Neben Deutsch und Englisch können bei Bedarf weitere Sprachen hinzugefügt werden, um den Anforderungen eines globalen Nutzerkreises gerecht zu werden (auf Anfrage).

Innovative technische Umsetzung

Die Realisierung dieser Funktionen erforderte umfangreiche Tests und kreative technologische Ansätze:

  • Barrierefreier Fließtext: Der Inhalt wird in einen sauber umgebrochenen Fließtext konvertiert, der speziell für Screenreader aufbereitet ist. Nutzer können Eingabefelder, Checkboxen und Links wie gewohnt verwenden, während die zugrunde liegende Textstruktur für Barrierefreiheit optimiert bleibt.
  • Grafische Überlagerung: Der lesbare Fließtext wird in der PDF-Ansicht von einer grafischen Darstellung überlagert, sodass die visuelle Gestaltung auf dem Bildschirm und im Ausdruck vollständig erhalten bleibt.

Volle Funktionalität

Sämtliche interaktiven Elemente – einschließlich Links, Checkboxen und Eingabefelder – bleiben wie gewohnt funktionsfähig, sodass die PDFs nicht nur barrierefrei, sondern auch vollständig interaktiv nutzbar sind.

Mit useWorkspace wird ein neuer Standard für barrierefreie und zugleich hochfunktionale PDF-Lösungen gesetzt, die flexibel an individuelle Bedürfnisse angepasst werden können.

© df@use-optimierung.de

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